Auschwitz ist nicht Oswiecim – Schülergruppe auf Studienreise in Polen

Die polnische Stadt Oswiecim blickt auf eine reiche 800-jährige Geschichte zurück. Dies vergisst man leicht, denn der Name der Stadt – bzw. dessen deutsche Übersetzung – ist seit nunmehr 80 Jahren mit den Verbrechen verbunden, die dort geschahen. Unsere Reisegruppe – 19 Schülerinnen und Schüler aus dem Jahrgang 10, zwei aus der Einführungsphase – fanden eine lebendige Stadt vor, in der viele freundliche Menschen leben, von denen wir einige persönlich kennenlernen konnten: unsere Betreuerin vor Ort, Busfahrer, Mitarbeiterinnen im Hotel, Guides an den historischen Orten, einen Mönch, der uns die Kunst von Marian Kolodciej näherbrachte. Kolodciej hat das Konzentrationslager überlebt und seine Erfahrungen und Erinnerungen 50 Jahre nach der Befreiung in sechzehnjähriger Arbeit bildlich dargestellt. Mehr als jedes Wort können seine Zeichnungen Entmenschlichung, Angst und Demütigung und deren Folgen – wenigstens im Ansatz – erfahrbar machen. In Oswiecim ist es heute üblich, den deutschen Namen der Stadt – Auschwitz – nicht mehr zu verwenden. Auschwitz: das ist der von Deutschen entwickelte Lagerkomplex, der weltweit als Chiffre für die nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen steht. In Auschwitz wurden mehr als eine Million Menschen ermordet, die meisten waren Juden. Laura Wittag, eine der Teilnehmerinnen, betont: „Es ist eine Sache über dieses Thema im Unterricht zu sprechen und sich dabei Schwarz-Weiß Bilder von damals anzuschauen, als wirklich einmal da zu sein und dort zu stehen, wo dieses Grauen stattgefunden hat. Es löst ganz andere Gefühle in einem aus, als wenn man nur Fakten auswendig lernt. Besonders bewegend fand ich das Zeitzeugengespräch, denn aus erster Hand eine der vielen Geschichten der Gefangenen zu erfahren war erschütternd, aber gleichzeitig auch ergreifend.“ Wir haben Auschwitz I (das Stammlager) und Auschwitz II in Birkenau (die Ortschaft heißt auf polnisch Brzezinka) besucht. Es sind beides Orte des Grauens, und die enorme Größe insbesondere des Vernichtungslagers Auschwitz II zeigt die Dimension des industriell betriebenen Massenmordes. Lennart Pelzer (Jg. 10) hebt hervor: „Ich finde, dass, wenn man hier steht, im Lager, einem das Ausmaß der Katastrophe noch viel klarer wird, dieser Schrecken, den man sonst nur aus Büchern kennt. Hautnah zu erleben lässt einen intensiver verstehen, denn durch die Fahrt an den Ort des Geschehens wird die Distanz zu dem sonst so entfernten Geschichtsort aufgebrochen.“ Die Studienreise war dank der Kooperation mit dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund hervorragend organisiert. Durch eine Förderung des Landes NRW hielten sich außerdem die Kosten in Grenzen.
Dass die Reise eine nachhaltige Wirkung haben wird, meint Maya Kleinhessling (Jg. 10):„Ich glaube, dass es eines der wichtigsten Themen der Geschichte ist, das niemals in Vergessenheit geraten darf. Genauso wichtig ist es diesen Ort des Verbrechens dann auch einmal zu sehen, aber das heißt nicht automatisch, dass es leicht ist dort zu sein. Denn vorher war dieses Thema immer sehr weit weg. Nach einer Dokumentation dachte man vielleicht noch kurz daran, aber am nächsten Tag beschäftigte sie einen nicht mehr wirklich. Doch wenn man da war, denkt man auch noch Tage und wahrscheinlich sogar Wochen und Monate später darüber nach, weil man dort die Dimension des Horrors erst so richtig begreift.“ Nach anstrengenden Tagen, darunter war auch ein Tag in Krakau, das sich bei sonnigem Wetter als „Florenz des Ostens“ von seiner besten Seite zeigte, boten die Abende Zeiten  der Reflexion – aber auch der Entspannung. Dass die Reise kein Erholungsurlaub war, zeigte sich nach der Rückkehr: Emma – vermutlich nicht nur sie – fiel nach der Ankunft in einen 17-stündigen Tiefschlaf. Das Team der Lehrkräfte plant die nächste Fahrt für das Jahr 2026. Angesprochen werden dann die jetzigen Acht- und Neunklässler. Alle hoffen, dass sich erneut eine Gruppe Interessierter findet.


Text: Dr. Martin Bachmann