Auschwitzfahrt

Warum fahren wir mit unseren Schülerinnen und Schülern nach Auschwitz? Was interessiert sie an einem solchen Ort, der sich als Schreckensbild in das Gedächtnis der Menschheit eingeprägt hat? An unserer Schule gibt es zahlreiche Fahrten, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen und unterschiedliche Gegenden der Welt kennenzulernen. Dies sollte ihnen ermöglichen, die Welt, in der sie leben, besser zu verstehen und sich als demokratische Bürger in ihr zu bewegen. Aber warum der Blick auf die Vergangenheit? Und dazu noch auf einen Teil dieser Vergangenheit, von dem wir uns gerne distanzieren und von dem unsere Schülerinnen und Schüler auch, was die Verantwortung für die Taten, die damals geschehen sind, sehr weit entfernt sind, denn die Täterinnen und Täter gehörten schließlich zur Generation ihrer Urgroßmütter und -väter.

Wir möchten mit dieser Fahrt den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, gerade nicht zu vergessen, was während der NS-Herrschaft passiert ist. Wir leben nicht mit der Verantwortung unserer (Ur-)Großmütter und -väter, sondern in der Verantwortung zu vermeiden, dass „Auschwitz je wieder passiert“. An die Orte zu fahren, an denen die Verbrechen der Nationalsozialisten geschehen sind, und mit Menschen zu sprechen, die noch Zeugnis von dem ablegen können, hilft unseren Schülerinnen und Schülern, besser zu verstehen, welche Mechanismen dazu beigetragen haben, dass die Nationalsozialisten Menschen dazu bringen konnten, ihr Gewissen auszuschalten und einen Großteil der Deutschen dazu, wegzusehen, während Millionen Menschen systematisch ermordet wurden.

Diese Fahrt trägt zum einen dazu bei, nicht zu vergessen. Schülerinnen und Schüler unserer Schule werden damit sozusagen zu „Zeitzeugen aus zweiter Hand“. Diejenigen, die die Zeit noch miterlebt haben und davon berichten können, werden in absehbarer Zeit nicht mehr da sein, so dass es umso wichtiger ist, dieses abschreckende Beispiel im kollektiven Gedächtnis zu behalten. Wir haben bei der ersten Durchführung dieser Fahrt erlebt, wie wichtig den Teilnehmenden der Fahrt die Erinnerung geworden ist und wie sie sich in zahlreichen Veranstaltungen im Anschluss hierfür eingesetzt haben.

Zum anderen trägt die Fahrt dazu bei, Demokratie zu erlernen. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in einem demokratischen System leben, es hängt von der Einstellung und dem Verhalten seiner Bürgerinnen und Bürger ab. Sich für die Demokratie und ihre Errungenschaften wie „Gleichheit vor dem Gesetz“, „Meinungsfreiheit“ oder „Religionsfreiheit“ einzusetzen, lernt vor allem derjenige, der das Gegenteil kennengelernt hat und sich hiervon zu distanzieren weiß. Gerade angesichts des neuen Aufkommens von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft betrachten wir die Fahrt zur Gedenkstätte in Auschwitz als einen wichtigen Teil der Erinnerungskultur und zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins unserer Schülerinnen und Schüler.

Stefan Melis